Der Starkregen lässt die Flüsse und Bäche rund um Antweiler im Kreis Ahrweiler stark ansteigen.

Lehren aus der Flutkatastrophe

Ein Hochwasser wie im Ahrtal - ist das auch woanders möglich?

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AUTOR/IN
Christina Nover
Autorin Christina Nover

Jahrtausendereignis, Jahrhunderthochwasser, Extremlage - all diese Worte klingen so, als ob die Flutkatastrophe im Ahrtal etwas Seltenes war. Forscher aber sagen: Es könnte jederzeit wieder passieren. Auch andernorts.

Lothar Kirschbauer ist Professor für Siedlungswasserwirtschaft und Wasserbau an der Hochschule Koblenz. Er forscht seit Jahren zu Starkregenereignissen und fungiert nach dem Hochwasser im Kreis Ahrweiler als Berater im Wiederaufbau. Er sagt: "Wir müssen aus der Katastrophe lernen - und zwar schnell."

Dabei spricht er jedoch nicht nur vom Ahrtal, sondern bezieht sich quasi auf alle Gegenden mit fließenden Gewässern. Denn die Flutkatastrophe habe gezeigt, wie schnell aus idyllisch dahinplätschernden Bächen und Flüssen reißende Ströme werden können, wenn zu viel Wasser von oben dazukommt.

Ähnliches Grundproblem auch in anderen Regionen

Zwar habe es einige Faktoren gegeben, die das Hochwasser im Ahrtal begünstigt hätten - wie die topografische Lage oder auch die Geologie - aber das Grundproblem sei vielerorts dasselbe: "Wir sehen immer nur den Flusslauf. Aber wir müssen auch auf die Fläche schauen", sagt Kirschbauer.

Landkreis Ahrweiler

Überschwemmungen in Rheinland-Pfalz Wie das Hochwasser in der Eifel so katastrophal werden konnte

Binnen weniger Stunden haben sich kleine Flüsse in der Eifel in reißende Ströme verwandelt. Dass das Hochwasser so schnell so katastrophal werden konnte, hat mehrere Ursachen.

Wenn Regen in Massen fällt - so wie Mitte Juli über der Eifel - können Böden schnell nichts mehr aufnehmen und Kanalisationen kommen an ihre Grenzen. Das Wasser sucht sich dann seinen Weg über Bäche und Flüsse und landet zwangsläufig irgendwann im Tal. Regenrückhaltebecken oder Talsperren könnten dies verhindern.

"An der Erft haben wir gesehen, dass das funktionieren kann", so Kirschbauer und verweist dabei unter anderem auf die Steinbachtalsperre. Er kritisiert, dass vielerorts schon längst Konzepte zum Hochwasserschutz vorhanden seien, diese aber "in Schubladen liegen" würden. Dort, wo der Wille da sei, scheitere es oft an den Kosten. Ein Problem unter anderem sei, dass Kommunen nicht an geeignete Grundstücke für Regenrückhaltebecken rankommen würden.

Hochwasserschutz an der Ahr nicht umgesetzt

Der Biologe Wolfgang Büchs von der Universität Hildesheim kritisiert, dass es an der Ahr seit langem an technischen und baulichen Hochwasserschutzmaßnahmen fehlt. Zwar sei der Bau von Hochwasserrückhaltebecken im Bereich der Nebenbäche des Ahrtals schon 1907 geplant worden. Stattdessen aber sei ab 1925 der Nürburgring gebaut worden, um die regionale Wirtschaft zu stärken.

"Ohne gravierende Maßnahmen zum Schutz vor Hochwasser halte ich eine Wiederbesiedlung des Ahrtals für hochgradig riskant", mahnt Büchs und plädiert dafür, die alten Pläne wieder aufzugreifen. Dies sei heute durchaus naturschutzkonform möglich.

Auch in anderen Regionen in Deutschland müssten Bauvorhaben in Tälern und Flussniederungen vor dem Hintergrund des Klimawandels künftig anders bewertet werden. "Wir müssen uns darauf einstellen, bestimmte Siedlungsstandorte in Deutschland aufzugeben", sagt Büchs.

"Die Leute müssen wissen, dass sie in einem potenziellen Überflutungsgebiet wohnen."

Ein Leben am Fluss - für viele Menschen ist das ein Traum. Doch die Gefahr des Wassers werde oft unterschätzt, wie Lothar Kirschbauer betont. Jeder, der am Wasser wohnt, sollte sich des Risikos eines Hochwassers bewusst werden und Vorsorge treffen. Wie groß die Überflutungsgefahr am Wohnort ist, kann zum Beispiel beim Land Rheinland-Pfalz mithilfe von interaktiven Karten in Erfahrung gebracht werden.

Risikokarten mit begrenzter Aussagekraft

Kirschbauer räumt ein, dass die Aussagekraft dieser Hochwasser-Karten eher auf kleinere, beziehungsweise häufigere Ereignisse begrenzt ist. Im Ahrtal beispielsweise stand das Wasser nach dem Unwetter im Juli vielerorts wesentlich höher als das, was in den Karten für extreme Vorfälle angegeben war. "Damit hat einfach keiner gerechnet", fasst Kirschbauer zusammen.

Trotz Renaturierung, hochwassergerechtem Bauen und anderen Maßnahmen: Eine 100-prozentige Sicherheit vor einer weiteren Flutkatastrophe wird es aus Sicht des Professors nicht geben. Deshalb plädiert er für den Ausbau und die Verbesserung von Frühwarnsystemen - auch an kleineren Flüssen - damit nicht noch einmal so viele Menschen zu Schaden kommen. Kirschbauer betont: "Es kann jederzeit wieder passieren. Vielleicht sogar noch schlimmer."